Leitartikel des Weggefaehrten November 2019

Allerheiligen – das Familienfest der Kirche

2019-11_Leitartikel (c) Pfarre St. Peter & Paul
2019-11_Leitartikel
Datum:
Mo. 28. Okt. 2019
Von:
Margot Karenfort

In meiner Familie wird immer mal wieder von der Begebenheit erzählt, als meine Eltern mich zur Taufe anmeldeten und der damalige Pastor über die Wahl des Vornamens mahnend entgegnete: „Das Kind soll Heike heißen? Das ist aber keine Heilige!” Meine Mutter entgegnete darauf schlagfertig: „Vielleicht wird’s ja mal eine!”

Als ich dann Jahre später entschied, einen kirchlichen Beruf zu ergreifen, sah mich meine inzwischen verstorbene Großmutter zielstrebig auf das zugehen, was der Pastor in der Namenswahl vermisste: den Bezug zur Heiligkeit, der mich nach ihrem Verständnis von einer Berufsausübung im pastoralen Dienst in eine Gottesnähe rücken würde, die ich in einem „normalen” Beruf wohl nicht erzielt hätte. Der einzige „Wermutstropfen” für sie: Ob der Beruf der Gemeindereferentin „reichte” auf diesem Weg? Ob Ordensschwester nicht eine viel bessere Wahl gewesen sei? Das waren die Gedanken, die sich meine Großmutter machte. Diese Gedanken ließen uns beide schließlich herzlich lachen.

Natürlich hat weder die Namenswahl der Eltern noch die Berufswahl eines Menschen etwas damit zu tun, ob ein Mensch in der Nähe Gottes lebt und ein nach den christlichen Maßstäben ausgerichtetes Leben führt.

Wenn wir in diesen Tagen das Hochfest Allerheiligen feiern, dann versammeln wir uns eigentlich zum Familienfest der Kirche, wie es Papst Franziskus im letzten Jahr beim Angelus-Gebet zu Allerheiligen sagte.

Verstehen wir Allerheiligen so, so gehören zu dieser Familie nicht nur die Heiligen, zu denen jede und jeder von uns einen ganz eigenen persönlichen Bezug hat: vielleicht durch die überlieferten Lebensgeschichten oder aber durch den eigenen Namenspatron. Daneben gibt es auch Menschen unter uns, die Probleme haben mit der Schar der Heiligen, die durch ihren Status auf besondere Weise in der Kirche eine Geltung haben.

Das Hochfest Allerheiligen will uns alle als (Groß-)Familie und Gemeinschaft aller Getauften zusammenführen und uns die Tiefe und den Sinn des christlichen Lebens vor Augen führen und im Herzen bestärken.

Es geht nicht darum, ein besonders frommes im Verständnis eines fehlerfreien Lebens zu führen. Es geht vielmehr darum, Jesus Christus im Herzen zu tragen oder ihn immer besser kennenlernen zu wollen. Wir dürfen uns glücklich schätzen, wie uns im Tagesevangelium an Allerheiligen zugesprochen ist: „Selig, die ein reines (gutes) Herz haben, denn sie werden Gott schauen.” (Mt 5, 8)

Es ist also vollkommen egal, ob uns ein Papst jemals heilig sprechen wird. Vielmehr dürfen wir uns gefordert und gefördert fühlen, mit gutem Herzen uns täglich den Herausforderungen des Lebens zu stellen und uns selbst und den Menschen darin zu begegnen. Ein kleiner Impuls mag der folgende Text sein:   

 

Heilig werden heißt
ich selber werden
wachsen und reifen können
im Entfalten meiner Stärken
und im Annehmen meines Schattens.
Heilig werden heißt
sich selber lassen
Hingabe wagen
um mit Rückgrat Partei zu ergreifen
für die Entrechteten und Ausgebeuteten.
Heilig werden heißt
leer werden
um sich täglich erfüllen zu lassen
von der zärtlichen Gegenwart Gottes
die sogar stärker ist als Tod.
Heilig werden heißt
ein Leben lang ja sagen
zum Licht und zum Schatten
zum Leben und zum Sterben
zum Schweigen und zum Engagement.

(Pierre Stutz)

 

Gemeindereferentin Heike Sorgenfrey