Alle paar Wochen entkalken wir bei uns daheim den Wasserkocher. Das ist immer ein kleines Ritual: Ich koche Essigessenz im sprudelnden Wasser auf, lasse sie einwirken, gieße alles aus und spüle gut nach. Danach tausche ich dann auch den Einsatz im Wasserfilter: die alte Kartusche fliegt in den Müll, die neue wird sorgfältig eingesetzt. Dann das Ganze durchlaufen lassen – und bloß nicht vergessen, das erste Filterwasser weg zu gießen...Zugegeben: Ein bisschen Aufwand ist es schon. Aber das Ergebnis ist es wert und ich genieße schon beim Tun die Vorfreude auf die erste Tasse Tee mit dem sauberen, frisch gefilterten Wasser: lecker, anregend und im Licht der Morgensonne schön anzusehen. Genuss pur. Ganz anders als die letzten Tassen, bevor es mit dem Putzen und Reinigen losgeht. Die sehen oft ganz anders aus: die Farbe ist trübe und von einem unbestimmten Grau, der Geschmack irgendwie stumpf.
Manchmal denke ich bei mir: So ein Filterwechsel wäre auch für mich nicht schlecht. Wie schnell wird das, was ich alltäglich mache, mit der Zeit irgendwie stumpf und etwas farblos. Immer wieder werden die gleichen Themen aufgekocht und durchgekaut – auf der Arbeit, in der Pfarrei, im Verein und im Freundeskreis - so lange und so oft, bis alles nur noch irgendwie abgestanden und grau schmeckt. Oft fehlt der Durchblick und die Frische. Und ich muss mich anstrengen, um nicht ungenießbar zu werden.
Dann wird es Zeit für eine seelische Grundreinigung. Ich erlaube es mir, für ein paar Tage oder Stunden aus dem Hamsterrad auszusteigen – und mache mal nur das, was mich froh macht: Ich gehe im Wald spazieren, lese ein Buch, das mich in andere Welten entführt, geh mal wieder ein paar Runden schwimmen. Ich lasse das Grau und den Mief des Alltags hinter mir. Ich unternehme etwas mit Freunden oder Familie. Wenn es möglich ist, geht es mal raus. Ich mache Urlaub. Statt Arbeitskleidung trage ich T-Shirts und kurze Hosen – ich atme die salzhaltige Luft des Meeres, genieße die laue Brise auf einem Gipfel oder den Duft von Gegrilltem im Garten und den der Blumen auf Balkonien. Abends geh ich früher ins Bett. Und am Tage schalte ich ab so gut ich kann, sperre die Sorgen aus, mache mein Herz weit und tanke Glücksmomente, wo ich kann. Genuss pur.
Und wie durch ein Wunder klärt sich mit der Zeit manches wie von alleine. Die Bitterkeit und das Grau weichen. Mit etwas Abstand erstrahlt das gewohnte Leben verlockend in neuem Glanz. Alles sieht mit einem Mal wieder ein bisschen frischer aus. Auch ich selbst, wenn ich mich im Spiegel sehe. Ich freue mich auf den Alltag - wie auf einen guten, frisch gebrühten Tee.
Diese Erfahrung wünsche ich in diesem Sommer auch Ihnen und Ihren Lieben. Erholen Sie sich gut – an Leib und Seele. Gott gebe Ihnen dazu seinen Segen.
Ihr Pfarrer Raphael Häckler