Als Kind liebte ich es, zum Jahresbeginn die Kalender bei uns daheim auszutauschen. Im Wohnzimmer fing ich an. Da hing neben dem Telefon ein Tagesabreißkalender. Ich schob die Pappe über den Nagel und riss das Deckblatt ab. Es erschien: die rote Eins. Sie markierte den ersten Tag des neuen Jahres. Die erste von so vielen Seiten. Dahinter ein gewaltiger Vorrat von frischer, unverplanter Zeit... Das fand ich herrlich und beruhigend. Dann ab in die Küche. Da hat neben dem Kühlschrank ein Monatsbilderkalender gehangen. Den haben wir immer an der Tankstelle geschenkt bekommen. Er zeigte jeden Monat ein passendes Bild: Ein lachender Clown im Februar. Eine Wiese mit Krokussen im März. Ein blauer Himmel über einem Bergsee im Juli. Aber interessiert hat mich immer nur eines: Wie wird das Jahr zu Ende gehen? Und nie bin ich enttäuscht worden: Das letzte Bild im Dezember ist immer eine kleine Kirche im tiefen Schnee gewesen, davor ein strahlender Weihnachtsbaum mit vielen hellen Lichtern. Ein Weihnachtsidyll. Das kleine Kind in mir atmete auf. Ich wusste: Egal was das Jahr auch mit sich bringt - am Ende brennt der Weihnachtsbaum wieder. Am Ende geht es gut aus.
Inzwischen bin ich älter. In den vielen Jahren, die seit meinen Kindertagen vergangen sind, habe ich gesehen: das Leben verläuft nicht ganz so geradlinig, wie der Kalender es einst suggerierte. Es geht stetig auf und ab. Mal läuft alles wie am Schnürchen - und am nächsten Tag verrennt man sich. Dinge wachsen und vergehen. Und egal, wie sehr ich auch versuche, mein Leben zu planen oder vorausschauend zu handeln - immer wieder gerate ich in Situationen, die mich verunsichern oder auch Ängste bei mir auslösen. Eine langjährige Beziehung zerbricht. Eine Diagnose meiner Ärztin erschüttert mich. Der Chef offenbart mir, dass er künftig ohne mich plant. Dazu prasseln Tag für Tag Nachrichten auf mich ein, die mir zeigen, wie zerbrechlich die Welt im Ganzen ist. Nichts ist selbstverständlich: unsere demokratische Grundordnung nicht, unsere Freiheit nicht und der Frieden erst recht nicht. Gerade in den letzten Jahren ist vieles aus den Fugen geraten. Und Sicherheiten, auf die wir unser Dasein gegründet haben, sind zerbrochen.
Bis auf eine: immer noch glaube ich daran, dass es am Ende gut ausgeht. Nicht nur für mich, sondern für uns alle. Und es ist immer noch das Weihnachtsfest, das mich in dieser Zuversicht zu stärken vermag. Denn egal was kommt - am Ende kommt Jesus auf mich zu. Der Gottessohn wird sein Versprechen wahr machen: er vergisst mich nicht. Auch wenn alles um mich herum so dunkel aussieht, wie die Nacht von Bethlehem - wenn mir das Blut in den Adern gefriert. ER lässt mich nicht im Stich. ER geht an meiner Seite. Leise flüstert er mir und jedem, der hinhört, die Botschaft der Engel ins Ohr: „Fürchtet euch nicht! Denn heute ist Euch der Retter geboren." Gott steckt in unserer Haut. ER geht jeden Weg mit uns - über lichte Höhen und durch finstere Täler. ER ist die Hoffnung, die mir sagt: am Ende geht es gut aus ....
Was immer auch kommt: Ich wünsche ihnen ein frohes Neues Jahr 2024 und Gottes Segen.
Pfr. Raphael Häckler