Leitartikel des Weggefaehrten März 2020

Liebe Mitchristen,

2020-03_Leitartikel (c) Pfarre St. Peter & Paul
2020-03_Leitartikel
Datum:
Fr. 21. Feb. 2020
Von:
Margot Karenfort

vor dem Haus eines alten Mannes lag ein hoher Berg. Der Berg nahm ihm alles Licht, das er sich zum Leben wünschte. Da beschloss der Mann, den Berg abzutragen. Die Nachbarn machten sich lustig über ihn. „Jetzt bist du aber völlig verrückt geworden! Einen Berg willst Du abtragen?” Der Alte antwortete: „Wartet nur, ich werde es schon schaffen. Schaufel für Schaufel. Karre für Karre.” „Das schaffst Du nie!” sagten die Nachbarn. Der Mann entgegnete: „Vielleicht habt ihr Recht.

Aber wenn ich es nicht schaffe, dann machen meine Kinder weiter – und irgendwann ist der Berg dann abgetragen.”

Und die Legende endet mit dem Satz: Als Gott im Himmel dieses Vertrauen sah, da schickte er zwei Engel, die trugen den Berg auf ihren Flügeln davon.

Am Anfang aller Dinge steht die Sehnsucht.

Der alte Mann sehnte sich zutiefst nach Licht in seinem Leben. So fing er an, den Berg abzutragen. Und er tat dies in dem Wissen, dass er alleine diese große Aufgabe nicht bewältigen könnte. Und trotzdem gab er nicht resigniert auf; er stellte sich der Herausforderung – er begann und arbeitete Tag für Tag, Schaufel für Schaufel.

Dabei ist das Anfangen nichts Ungewöhnliches: Jeden Morgen bricht ein neuer Tag an, ein neues Jahr wird lautstark begrüßt, die Schule beginnt wieder, die Arbeit ruft erneut, die Fastenzeit steht vor der Tür, die Lebensmitte fängt an, das Altwerden beginnt.

Die Herausforderung des Lebens besteht jedoch darin, dass jeder Anfang nicht einfach nur geschieht, sondern zu meinem Anfangen wird - dass ich anfange. Tue ich das nicht, geht das Leben an mir vorbei und wird zu einer Anhäufung von verpassten Chancen.

Antoine de Saint-Exupéry hat einmal gesagt: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.” Die Sehnsucht ist der Motor, der mich anfangen und aufbrechen lässt; die Sehnsucht ist der erste Schritt zu großartigen Werken.

Es ist die Sehnsucht nach dem Leben in Fülle, das die Jünger ermutigt, alles zu verlassen, um Jesus nachzufolgen. Es ist die Sehnsucht nach Liebe, die Maria und Johannes am Karfreitag unter dem Kreuz verharren lässt. Es ist die Sehnsucht nach ihrem Freund und Meister, die die Frauen am Ostermorgen zum Grab und damit zur Begegnung mit dem Auferstandenen führt.

Welche Sehnsucht trage ich in mir? Welche Sehnsucht treibt mich im Leben an?

Wer seiner Sehnsucht nachgeht, der wird schnell merken, dass er auch loslassen muss. Wir kommen nicht vom Fleck, wenn wir nicht dazu bereit sind aufzubrechen. Wir kommen nicht in den Tag, wenn wir im Bett bleiben. Wir bekommen die Arbeit nicht geschafft, wenn wir am Frühstückstisch sitzen bleiben. Wir gelangen nicht zum verdienten Feierabend, wenn wir die Arbeit nicht loslassen können. Wir kommen nicht in die Zukunft, wenn wir uns nur an der Vergangenheit festhalten. Dieses Phänomen gilt für den Alltag im Kleinen. Es gilt aber genauso auch für das große Weltgeschehen und eben auch für uns als Kirche.

Doch Loslassen ist oft schwerer als Anfangen. Aber ich kann es üben, das Anfangen – gerade in der Fastenzeit, der Zeit der Umkehr und Neuorientierung.

Ich wünsche uns allen, dass wir Menschen der Sehnsucht bleiben, dass wir in unserem persönlichen Leben und in unseren Gemeinden den Mut haben, neue Anfänge zu wagen – nicht nur in den kommenden Wochen bis Ostern. Und wir werden erleben, wie Gott Wunder der Auferstehung und des neuen Lebens wirkt!

 

Michael Datené, Pfr.